Fisch­haut – die Leder­alter­native

Alles über Fischleder

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In Sachen Materialien gibt es immer mehr ökologische und nachhaltige Neuigkeiten, die dem Leder Konkurrenz machen. Fischhaut ist zwar keine Neuentdeckung, wird aber zur echten Alternative, denn die Nachfrage ist in den letzten Jahren stark gestiegen und viele Designer machen ihre Kollektionen bereits hochseetauglich.

 

Geschichte & Herstellung

des Fischleders

Bei dem Fischleder handelt es sich seit jeher um ein reines Abfallprodukt. Die Hezhen oder auch Nanai genannt, eine ethische Minderheit Sibiriens und des Fernen Ostens, trugen maßgeblich zur Verbreitung des Materials bei.

Von den Chinesen wurde das Naturvolk als »Barbaren in Fischhäuten« bezeichnet, denn sie wussten ganz genau, wie sie ihre Kleidung aus dem Fluss Amur fischen konnten.

Zunächst wurden die Fischhäute mit einem Holzhammer weichgeklopft. Mithilfe natürlicher Gerbstoffe, wie zerstampfter Mimosenrinde und anderen Pflanzen, wurde das Leder einer bis zu vierwöchigen Herstellung unterzogen und anschließend lange getrocknet.

Auf Gerbstoffe kann bei der Lederherstellung nicht verzichtet werden, denn durch sie wird die eigentlich weiche Fischhaut fest und stabil. Heute wird der Gerbprozess oftmals durch Chromsalze beschleunigt.

Im Zweiten Weltkrieg kam die Fischhaut durch den Mangel an Lederware wieder vermehrt zum Einsatz.

Dank der Zero-Waste Bewegung werden aktuell viele Materialien in der Modewelt hinterfragt. Bei einer Tonne Fischfilet bleiben rund 40 kg Fischhaut übrig. Diese wurden bislang entweder zu Tierfutter verarbeitet oder einfach weggeschmissen.

Viele Designer und andere Modebegeisterte nehmen sich dem alten Fisch an und stellen neue Lederwaren her.

Fischleder der Fischgerberei Femer aus Frankreich
Quelle: Gerberei Femer, www.femer.fr

 

Materialeigenschaften

Anders als beispielsweise bei Rindsleder (Zugfestigkeit 8 bis 25 Newton), wo die Faserstruktur parallel angeordnet ist, ist sie im Fischleder quer übereinander angelegt. Dadurch erreicht Fischleder die besonders hohe Zugfestigkeit von 90 Newton. Das ist zum Beispiel bei Lachs oder Forelle der Fall.

Das Leder ist besonders fein, biegsam und trotzdem robust und strapazierfähig. Lachs ist außerdem für die gute Aufnahme von Farbpigmenten bekannt und verspricht eine lange Leuchtkraft.


Quelle: Gerberei Femer, www.femer.fr

Fisch ist allerdings nicht gleich Fisch. Die Oberflächen- und Schuppenanordnungen können sich je nach Art stark unterscheiden. Bei Karpfen, Kabeljau, Lachs und Scholle kann man eine klare Schuppenstruktur erkennen. Die Oberflächenoptik dieser Arten ähneln besonders stark den Lederprodukten, die aus mittlerweile gefährdeten Reptilien hergestellt wurden.

Je nachdem auf was für Fischleder man also zurückgreift, trägt man sogar zur Erhaltung vieler Tierarten der Roten Liste bei. Weitere Fischarten wie der Atlantikrochen und der Wels sind dahingegen sehr glatt.

Die Oberfläche des Störs erinnert fast schon an ein narbiges Holz, weil das Leder von tiefen Linien geprägt ist. Trotz Behandlung und auch Färbung des Leders, ist jedes Stück Fischleder einzigartig und individuell in Form, Muster und Farbverlauf. Dadurch wird jede selbstgenähte Tasche oder selbstgenähter Gürtel zum Unikat!

 

Verwendungszwecke

Fishing for compliments: Das Trendmaterial lässt sich gut verarbeiten und ist ein echter Hingucker.

Allgemein sind die meisten Fischarten sehr klein, sodass auch ihre Haut im Vergleich zum Rind sehr kleinflächig ist. Daher lässt sich das Fischleder entweder in kleine Accessoires, wie zum Beispiel Gürtel oder Portemonnaies verarbeiten oder mit anderen Ledersorten kombinieren um eine größere Fläche zu erhalten. Selbst aus den kleinsten Schuppenresten kann man noch extravagante Ringe und andere Schmuckstücke kreieren.

 

Der Fisch auf dem Runway

Nicht nur Fischers Fritz fischt frische Fische gut, sondern auch die Modedesigner und Trendschöpfer: Salvatore Ferragamo setzt seit den 70er Jahren auf Fischleder und gibt der Schuhkollektion dadurch eine außergewöhnliche Optik.

Dabei arbeitet das Modehaus mit einer italienischen Firma in Rivarolo Canavese, Piemont, zusammen, die sich auf Fischhaut spezialisiert hat. Das französische Traditionshaus Dior hat bereits in der Vergangenheit immer wieder Taschenmodelle aus Fischleder kreiert.

In den aktuellen SS17 Kollektionen von Givenchy ist das Material in Form von Schuhen und extravaganten Taschen zu sehen.

Auf dem Runway präsentiert Givenchy violette Schuhe mit Fischleder.
Auf dem Runway präsentiert Givenchy eine Tasche mit Fischleder-Detail.
Runway Givenchy, 2017, Schuhe & Taschen aus Fischleder, ©Stefan Knauer

 

Das Label Osklen präsentierte seine Herbst-Wintermode in Sao Paolo und begeisterte mit großen Shoppern und Rucksäcken in Schuppenoptik.

Tasche von Osklen aus Fischleder.
Runway Osklen, 2017, Tasche aus Fischleder, ©Stefan Knauer

 

Wo erhalte ich Fischleder und

worauf muss ich achten?

Wenn ihr auch in den großen Gewässern fischen wollt, bietet Fischleder den Vorteil, dass ihr es aufgrund der kleinen Fläche auch in kleineren Mengen kaufen könnt. Für Selbstnäher und Modedesigner, die erste Erfahrungen mit dem Material machen wollen, ist das optimal.

Auch in der Unterwasserwelt gibt es jedoch einige bedrohte Spezies: Zu den Exoten gehören Aale, die durch die schuppenfreie Haut und dem aufgeribbelten Mittelstreifen besonders begehrt sind.

Dornhaie sind ebenfalls sowohl in der Modebranche, als auch auf der Speisekarte gerne zu sehen. In den Gewässern nimmt der Bestand jedoch ab, weil sie durch die späte Geschlechtsreife und lange Tragzeit kaum die Chance haben ihre Art fortzupflanzen. Auch der Bestand von Dorsch und Kabeljau hat sich seit den 70er Jahren um ein Drittel verringert.

Wenn man in größeren Mengen Fischhaut verarbeiten möchte, empfiehlt es sich für Designer in direkter Zusammenarbeit mit einem größeren Unternehmen zu arbeiten. Der Textilvertreiber Lohnke (http://www.ledtex.ch/atlantic_leather.php ) in Romanshorn arbeitet mit einem finnischen Gerbunternehmen zusammen. Hier könnt ihr ab einer Bestelleinheit von 30 Häuten individuelle Farbwünsche äußern.

Natürlich gibt es aber auch die Möglichkeit einzelne Stücke zu kaufen. Dabei empfehlen wir euch die französische Gerberei Fermer (http://www.femer.fr/ ), die in der kleinen Hafenstadt la Teste-de-Buch von Marielle Philip und ihrer Mutter gegründet wurde. Die junge Frau hat ihre Liebe zum Meer von ihrem Großvater, der Fischer war, in die Wiege gelegt bekommen.

Sie hat Umweltrecht und Küstenmanagement studiert und möchte nun das alte Handwerk der Fischgerberei wieder unter die Leute bringen. Dabei arbeitet sie ausschließlich mit lokal gefangenen Fischen, die nicht das Ergebnis von Massenfischerei sind.

Marielle hat mehrere Jahre an einer pflanzlichen Gerbmethode gearbeitet, die auf einer Kreislaufwirtschaft basiert. Sie besteht auf eine natürliche und umweltfreundliche Prozedur, die sie zwar mehr Zeit und Arbeit kostet, aber dafür mit ihrem Gewissen vereinbar ist. Für erste Nähversuche mit dem Unterwasserwesen legen wir euch das kleine Familienunternehmen ans Herz.

Egal wie ihr euch entscheidet: Achtet immer darauf, dass der Händler eurer Wahl nur mit Fischhäuten arbeitet, die von zum Verspeisen gefischten Arten stammen. So unterstützt ihr mit eurem Nähprojekt zusätzlich noch die nachhaltige Fischerei!

Nach unserer Recherche können wir den Fisch schon förmlich riechen. Wenn es euch jetzt noch nicht genauso geht, solltet ihr euch an die Nähmaschine setzen und eure ersten Experimente mit dem innovativen Leder wagen.

Wir freuen uns eure Ergebnisse in unserer Facebookgruppe zu sehen!