Designer­wechsel bei Carven

Pariser Fashion Week F/S 2018

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Serge Ruffieux ist neuer Kreativdirektor des französischen Modelabels Carven. Den Schweizer Designer zeichnen Couture Erfahrung und ein großer Sinn für Modernität aus.

Zuvor war er für zwei Jahre gemeinsam mit Lucie Meier für die gesamte Kreativleitung der weiblichen Dior Kollektionen verantwortlich.

Davor arbeitete er mehrere Jahre als rechte Hand bei Designerin Sonia Rykiel. Ein Mann, der weiß wie Mode geht. Ab 1. Februar 2017 übernahm Serge Ruffieux die Kreativleitung des Modehauses Carven.

 


Carven, Frühjahr-/Sommer, 2018, ©Stefan Knauer

Das französische Label erwachte 2010 aus einem langen Winterschlaf. Obwohl Carven in den 50er Jahren in einer Reihe mit Dior und Givenchy genannt wurde, war das Label in Vergessenheit geraten. Dem französischen Designer Guillaume Henry gelang es, Carven in eine internationale Marke zu verwandeln. Pariser Chic, Parfums und der Gamine-Look (gamine: frz. ugs. für kleines Mädchen) etablierten das ehemalige Traditionshaus in einer neuen Nische.

Das 2013 gelaunchte Parfum »Carven, Le Parfum« gilt als Symbol für Spontaneität und Pariser Eleganz und zieht vor allem junge Kundinnen an.

2015 wechselte Chefdesigner Guillaume Henry von Carven zu Nina Ricci. Seine Nachfolger, das Designerduo Alexis Martial und Adrien Caillaudaud brachten das Haus aber langsam in den modischen Stillstand. Der vom Duo angekündigte »neue Twist« blieb scheinbar unterm Nähfuss auf dem Weg vom Atelier zum Runway stecken.

 


Carven, Frühjahr-/Sommer, 2016, ©Stefan Knauer

 


Carven, Frühjahr-/Sommer, 2016, ©Stefan Knauer

 


Carven, F/S, 2016, Alexis Martial & Adrien Caillaudaud, ©Stefan Knauer

Jetzt hatte Serge Ruffieux die Möglichkeit, ein ganz neues Kapitel für Carven aufzuschlagen. Das Prinzip der Carte Blanche ermöglicht aber nicht immer einen einfachen Start: Zwischen den eigenen Ideen und der modischen Geschichte des Hauses muss eine Balance gefunden werden.

 


Carven, Frühjahr-/Sommer, 2018, ©Stefan Knauer

 

INSPIRATION

Fashion Week Paris Frühjahr/ Sommer 2018

Der von Guillaume Henry eingeführte Gamine-Look wurde von Designer Ruffieux im Detail auseinandergenommen und in Form von lockeren Schnitten wieder zusammengefügt. Adieu, kindliche A-Linien Röcke und schlichte Kleider, jetzt heißt es Layering!

Die gewisse Nonchalance der französischen Mode findet sich auch in Ruffieuxs Entwürfen wieder. Mode ohne Überheblichkeit und Einbildung, die auf simplen und praktischen Schnitten beruht.

Ruffieux wandelt Sportswear in feminine und leichte Tagesmode um. Die Fantasie des Designers musste jedoch bestimmten Guidelines folgen. Kreative Köpfe bei Carven müssen sich stets daran erinnern, dass die Marke vom starken Bezug zur Realität lebt.

Ausgefallene Designs dürfen natürlich vorkommen, sollten jedoch immer einen realistischen Touch behalten.

 


Carven, Frühjahr-/Sommer, 2018, ©Stefan Knauer

 


Carven, Frühjahr-/Sommer, 2018, ©Stefan Knauer

 

INTENTION

Fashion Week Paris Frühjahr/ Sommer 2018

Eine Universität als Location für die Fashion Show stellt die Intention des Designers klar in den Raum: Das Wiederbeleben eines eingeschlafenen Hauses erfolgt nur durch detailliertes Studieren seiner DNA. Nur, was ist Carvens DNA? Ein Ruf, der auf Parfums basiert und sonst nichts zu bieten hat? Wie man an seiner Debüt-Kollektion erkennen kann, stimmt Ruffieux dieser Beschreibung nicht zu.

Die Kleidung des Labels erscheint heute klassisch und gleichzeitig jung und humorvoll. Mit dem Hahn als beliebtes Motiv auf Blusen und Röcken erweist der Schweizer Designer dem Herkunftsland des Labels alle Ehre. Schließlich ist der Hahn seit Jahrhunderten das inoffizielle Symbol Frankreichs.


Carven, Frühjahr-/Sommer, 2018, ©Stefan Knauer

 


Carven, Frühjahr-/Sommer, 2018, ©Stefan Knauer

Die oft unterschätzten Accessoires der Marke erhielten in dieser Saison einen Hauch Folklore. Ruffieux legte seinen Fokus auf bunte Lederwaren – im Mittelpunkt standen Slippers und Loafers mit farbigen Bommeln. Schnell wird klar, dass der Designer auch durch Accessoires ein neues Statement setzen will.


Carven, Frühjahr-/Sommer, 2018, ©Stefan Knauer

 

SCHNITTE & MATERIALIEN

Raffungen, Schnürungen und Tunnelzüge zierten fast jedes Kleidungsstück. Ein konstantes Volumenspiel, das spannende neue Formen erschuf. Gekürzte Jacken im Barbour-Stil über wadenlangen Kleidern oder Röcken zeigten Layering in gekonnter Form.

Jacke über Shirt über Rock ermöglichten einen Stufenlook, der Kennern der Marke nicht unbekannt war. Schon Designer Guillaume Henry liebte des Crop-Konzept.

Hemden und Blusen erfuhren in dieser Kollektion ebenfalls eine Erneuerung.

 


Carven, Frühjahr-/Sommer, 2018, ©Stefan Knauer

Der klassische Schnitt wurde umgewandelt, die Ärmel abgeschnitten oder ein gesmokter Stehkragen angebracht. Die Knopfleisten mit Perlen oder Raffungen verziert. Teilweise war der Saum um einige Zentimeter verlängert, sodass aus dem klassischen Kleidungsstück sogar ein luftiges Sommerkleid wurde.

In einem Statement hatte Ruffieux zuvor seine »große Affinität zu Madame Carven (Gründerin der Marke, Anm. d. Red.) und ihrer modischen Vision« erwähnt. Der Schweizer Designer setzte seine eigenen Akzente auf Buchstaben, die zuvor von einem anderen Designer geschrieben wurden. Ein Debüt, das wir mehr als gelungen finden.