BALEN­CIAGA F/S 2018

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Vor etwa zwei Jahren wühlte ein völlig unbekannter Modedesigner die Pariser Fashion Week komplett auf. Demna Gvasalia ist damals Frisch ernannter Kreativdirektor beim französischen Modehaus Balenciaga.

Neben seiner tenure in einem der größten französischer Modehäuser, überfordert er mit seinem eigenen Label die Modekritiker dieser Welt. Hinter dem einfachen Namen Vêtements (Kleidung auf französisch) versteckt sich ein Konzept, das die Modewelt massiv verändern wird.

Kleider sind für Gvasalia eine pure Reflektion unserer Lebensart, Stereotypen und Klischees die Basis seines Designprozesses. Er erfindet nicht neu, sondern provoziert offensichtlich, indem er schon Vorhandenes miteinander mischt und mit den Grenzen des »schlechten« Geschmacks experimentiert.


Balenciaga, Paris Fashionweek, F/S 2018, ©Stefan Knauer

Und in diesem Absatz steckt schon das Problem. Auf wie vielen Partys kann man eigentlich gleichzeitig mittanzen, ohne die Namen aller Gäste zu vermischen?

Klar waren Gvasalias Entwürfe der letzten Saisons bei Balenciaga gedanklich mit denen für sein eigenes Label verbunden, aber eine klare Trennlinie schien immer noch vorhanden.

Vêtements blieb die Marke, die für schräge Kooperationen offen war. Seine Arbeit bei Balenciaga ging etwas tiefer und bestand aus vielen Hommagen an den Gründer der Marke, Cristóbal Balenciaga.

 

INSPIRATION

Von diesen ganzen Hommagen fühlte sich der deutsch-georgische Designer eindeutig eingeengt. In einem Interview nach seiner Show sagte er, es sei dieses Mal »mehr Demna« und »weniger Cristóbal« gewesen. Mehr Demna bedeutet mehr Ironie, noch mehr Klischees und keine Schnitte aus dem Archiv Balenciagas, wie in den vergangenen Saisons.

Gvasalia verfremdet nur allzu gerne Alltagsgegenstände oder Designerstücke. Seine Interpretation der Chanel Flap Bag erinnerte sehr an eine billige Kopie aus dem Urlaub im Süden. Sogar das berühmte doppelte, ineinander verschnörkelte C wurde durch zwei Bs ersetzt. Noch störender klischeehafter: das Kettchen mit blau-weiß-rot gestreiften Eiffeltürmen und Triumphbögen.

 


Balenciaga, Paris Fashionweek, F/S 2018, ©Stefan Knauer

Der größte Aufschrei der Modekritiker betraf aber vor allem das Schuhwerk mancher Models. Tatsächlich schickte Gvasalia Plateau-Crocs mit charms in bunten Farben auf den Laufsteg. Er ist nicht der erste Designer, der seinen Modells diese Schuhe anzieht – Christopher Kane tat es bereits im Frühjahr 2017 – aber eine solche Aktion schien eher für seine eigene Marke angepasst.


Balenciaga, Paris Fashionweek, F/S 2018, ©Stefan Knauer

 

INTENTION

Die Mode hat schon alles gesehen. Deshalb müssen Neumischungen her, die das Publikum verdutzen und die Modekritiker zu tiefen Analysen unserer Zeit bringen.

Dieses ständige Hinterfragen, das WARUM, ist Gvasalias Spielfeld. Wieso gibt es Stile, die wir als absolut schrecklich bezeichnen? Wieso grenzen wir andere Menschen aufgrund ihres Aussehens aus? Sind wir alle nicht einfach nur geldsüchtig? Er beantwortet diese Fragen immer mit Ironie.

Die Wahl seiner Modells spricht auch Bände. Er sucht sich nicht die aktuell beliebtesten Gesichter der Industrie aus, sondern interessiert sich für untypische Züge. Die Definition von Schönheit wird damit auch hinterfragt.


Balenciaga, Paris Fashionweek, F/S 2018, ©Stefan Knauer

Geld spielt eine sehr große Rolle in seinem Designprozess. Als der Designer mal gefragt wurde, ob er selber mehr als tausend Euro (preis einer Jeans bei seinem eigenen Label) für eine Hose ausgeben würde, antwortete er sehr überraschend, er würde doch für so viel Geld eher in den Urlaub fahren. Provokanter geht es nicht. Doch genau diese Einstellung macht ihn bei seinen Kunden beliebt.


Balenciaga, Paris Fashionweek, F/S 2018, ©Stefan Knauer

 

SCHNITTE &

MATERIALIEN

Seiner Ironie treu, druckte Gvasalia Euro- und Dollarscheine, klischeehafte Sonnenuntergänge und verschneite Berge wurden auf Blusen und Hosen. Die verschneiten Berge sind eine ganz klare Anspielung auf seine Entscheidung, am Anfang des Jahres den Sitz seiner eigenen Marke, Vêtements, nach Zürich umzuziehen.


Balenciaga, Paris Fashionweek, F/S 2018, ©Stefan Knauer

Stereotypische Bekleidung, die den Alltag vieler Menschen betrifft, wird umgewandelt und der Nutzen des Kleidungsstückes in Frage gestellt. Dabei wird Bürokleidung neu konfiguriert: der berüchtigte Bleistiftrock im Karo-Muster wird durch ein Touristen-Kettchen erweitert und mit einem übergroßen Männerhemd kombiniert.


Balenciaga, Paris Fashionweek, F/S 2018, ©Stefan Knauer

 

Gvasalia experimentierte bereits in der letzten Saison mit Mänteln. Er liebt es, die Art und Weise, wie man in Eile seinen Mantel umwerfen kann, in ein richtiges Kleidungsstück zu übersetzen.

In der Herbst Winter Kollektion 2017 wanderten die Knöpfe bis über die Schulter. Wickelt eine Frau in der Kälte ihren Mantel so um sich, nimmt er diese Form an.

Diese Saison hingen manche Mäntel an den Hälsen der Modells. Dies ähnelte eher der Form des Mantels, wenn man ihn im Sitzen über den Körper legt. Dieser trompe l’oeil Effekt ist natürlich immer mit einer realistischeren Variante hinterlegt. Zum Beispiel kann der Mantel sowie auf dem Laufsteg gezeigt, aber auch normal geknöpft getragen werden.


Balenciaga, Paris Fashionweek, F/S 2018, ©Stefan Knauer

 

Im Frühjahr 2017 staksten die Models in spitzen Spandex-Stiefeln für Balenciaga über den Runway. Zwei Saisons später ist der wohl bekannteste Schuh der Marke erneut dabei, dieses Mal aber mit Geldscheinen, Sonnenuntergängen, Alpenlandschaften und Gänseblümchen bedruckt. Für die schlichteren Geschmäcke sogar in einfarbiger Glitzerversion.


Balenciaga, Paris Fashionweek, F/S 2018, ©Stefan Knauer