»Ich traue meinem Instinkt und gebe mich meiner Inspiration hin.« Jeanne Lanvin
DAS MODEHAUS LANVIN
Gegründet: 1889 in Paris
Geschäftssitz: 15 rue du Faubourg Saint-Honoré, Paris, Frankreich
Stil: schlicht, poetisch, dezent
Produktgruppen: Prêt-à-Porter, Haute Couture, Schuhe, Accessoires, Parfum, Dekoration, Lederartikel
Modecodes: das Stilkleid, Art-Deko, das Mutter-Tochter Logo, Lanvin-Blau, Ballerinas
Chronologie der Designer
- 1946 – 1958: Marie-Blanche de Polignac (Generaldirektorin und Designerin)
- 1950 – 1963: Antonio del Castillo (Frauenkollektionen)
- 1964 – 1984: Jules-François Crahay (Haute Couture)
- 1972: Christian Benais, Prêt-à-Porter/ Men
- 1976 – 1991: Patrick Lavoix, Prêt-à-Porter/ Men
- 1981 – 1989: Maryll Lanvin, Prêt-à-Porter
- 1989 – 1990: Robert Nelissen, Prêt-à-Porter/ Women
- 1990 – 1992: Eric Bergère, Prêt-à-Porter/ Women
- 1990 – 1992: Claude Montana, Haute Couture
- 1992 – 2001: Dominique Morlotti, Prêt-à-Porter/ Men & Women
- 1996 – 1998: Ocimar Versolato, Prêt-à-Porter/ Women
- 1998 – 2002: Cristina Ortiz, Prêt-à-Porter/ Women
- 2002 – 2015: Alber Elbaz/ Kreativdirektor
- 2003 – 2006: Martin Krutzki, Prêt-à-Porter/ Men
- 2006 – heute: Lucas Ossendrijver, Prêt-à-Porter/ Men
- 2016 – 2017: Bouchra Jarrar, Kreativdirektorin
- 2017 – heute: Olivier Lapidus, Prêt-à-Porter/ Women und Haute Couture
DIE SCHNEIDERIN
JEANNE LANVIN
Jeanne Lanvin wurde am 1. Januar 1867 als Älteste von elf Kindern geboren. Ihr Familie war sehr arm, weshalb Sie bereits mit 13 Jahren begann, in einem Hutladen zu arbeiten. Freunde gaben ihr den Spitznamen »le petit omnibus«, weil Sie grundsätzlich kein Bus-Ticket kaufte, sondern immer heimlich hinten aufsprang.
1885 machte sich Jeanne Lanvin als Näherin selbstständig und eröffnete 1889 in zwei Zimmern ihre eigene kleine Schneiderei.
- 1893: Lanvin zieht in die 22 Rue Saint-Honoré, wo sich das Couture Haus bis heute befindet.
- 1896 – 1903: Ehe mit Emile di Pietro.
- 1897: Geburt ihrer einzigen Tochter, Marguerite Marie Blanche di Pietro, später von ihrem zweiten Mann zu Marie-Blanche umgetauft.
- 1907: Jeanne Lanvin heiratet den Journalisten und späteren französischen Konsul Xavier Melet in Manchester.
- 1908: Eröffnung der Kinderabteilung bei Lanvin.
- 1909: Aufnahme in den Pariser Coutureverband, Syndicat de la Couture.
- Es folgen regelmäßige Kollektionen für Frauen und junge Mädchen, unter anderem auch Hochzeitskleidung.
- 1917 – 1922: Erste Ehe von Tochter Marguerite.
- 1918: Jeanne Lanvin kauft das gesamte Gebäude der 22 Rue Saint-Honoré für die Marke Lanvin.
- 1921: Eröffnung von »Lanvin Décoration«.
- Verkauft werden unter anderem Möbel, Teppiche, Spiegel, Kacheln und Tapeten.
- 1923: Eröffnung einer eigenen Färberei in Nanterre, einem Vorort von Paris.
- 1924: Marguerite heiratet Graf Jean de Polignac.
- Im gleichen Jahr entwickelt der Modeillustrator Paul Iribe das berühmte Lanvin-Logo. Basis für den Entwurf bildet ein Foto der Designerin mit ihrer Tochter.
- Eröffnung der weiteren Geschäfte »Lanvin Fourrures« (französisch für Pelz) und »Lanvin Parfums«.
- 1925: Die Linien „Lanvin Sport“ und »Lanvin Hommes« entstehen.
- 1926: Jeanne Lanvin wird mit dem »Chevalier de la Légion d’Honneur«, dem höchsten Verdienstorden für militärische oder zivile Verdienste, ausgezeichnet.
- 1927: Lanvin bringt das bis heute erfolgreiche Parfum »Arpège« auf den Markt. Der Name bedeutet Akkord und ist eine Hommage an die Klavierkünste ihrer Tochter.
- 1938: Auszeichnung mit dem »Officier de la Légion d’Honneur«, die höchste Auszeichnung für kulturelle Verdienste in Frankreich.
- 1945: Lanvins Entwürfe sind Teil der »Théâtre de la Mode« Miniatur-Ausstellung und reisen durch Europa und die USA.
- Diese Ausstellung sollte finanzielle Mittel für das Revival der französischen Modeindustrie nach Ende des Zweiten Weltkrieges zusammentreiben. Gezeigt wurden Miniatur-Entwürfe der führenden Designer wie Nina Ricci, Pierre Balmain, Balenciaga und Hermès.
- Juli 1946: Jeanne Lanvin stirbt im Alter von 79 Jahren in Le Vésinet, Frankreich.
Jeanne Lanvin etablierte bereits früh die verschiedensten Produktlinien unter dem Dach ihrer Marke. Neben Kleidung war die Marke bekannt für Kosmetik, Parfum und Interieur. Lanvin war damit eine Vorreiterin in Sachen Lifestyle. Was heute als bekanntes Konzept gilt, war damals eine Neuheit.
DAS STILKLEID
Das Lanvin Kleid der zwanziger Jahre par excellence war das sogenannte »Robe de Style«, das Stilkleid. Dieses Modell, das aus einem anliegenden Oberteil und einem tief auf den Hüften angesetztem weiten Rock bestand, orientierte sich sehr an den Stilen des XVIII Jahrhunderts und des Zweiten Kaiserreiches.
Diese Silhouette ignorierte bewusst jegliche Modetrends und stand im absoluten Kontrast zum eigentlich angesagten Garçonne-Stil mit den kurzen Haaren und geraden Kleidern. Dieser Stil prägte die zwanziger Jahre und machte den Erfolg der Designerin Gabrielle Chanel aus.
DIE MUTTER-TOCHTER
BEZIEHUNG
Die zwischenzeitlich alleinerziehende Mutter Jeanne Lanvin entwarf ihre erste Mode für Tochter Marguerite. Die sehr bewegungsfreundlichen Hängerchen-Kleider fanden aber schon bald Abnehmer unter ihren reichen Hut-Kundinnen. Das Couture-Haus setzte seinen Fokus daraufhin weiter auf Mutter und Kind. Die berühmten Stilkleider der 20er Jahre gab es sowohl für Frauen, als auch für Kinder. Jeanne Lanvin war also eine Vorreiterin der so genannten Minime-Kollektionen.
INSPIRATION
Jeanne Lanvin arbeitete viel mit mittelalterlichen und religiösen Motiven, die mithilfe opulenter Stickereien auf die Kleidung übertragen wurden. Eine ihrer größten Inspirationsquellen war Art-Déco.
DAS LANVIN BLAU
Nach langem Betrachten einer Freske des italienischen Renaissance-Malers Fra Angelico, übernahm Lanvin das darin enthaltene »quattrocento« Blau. Dieses Fliederblau wird zu ihrer absoluten Lieblingsfarbe und geht als »Lanvin-Blau« in die Modegeschichte ein.
DESIGNER NACH
JEANNE LANVIN
Nach dem Tod von Jeanne Lanvin übernimmt zunächst ihre Tochter Marguerite das Unternehmen. Daraufhin folgen viele verschiedene Designer, die aber nie an den ursprünglichen Erfolg des Hauses anknüpfen konnten.
- 1950 bis 1963: Antonio del Castillo übernimmt die Leitung der Frauenkollektionen. Er führt Jeanne Lanvins Liebe für opulente Kleidung aus wertvollen Stoffen und mit vielen Stickereien weiter.
- 1964: Jules-François Crahay wird als Designer für die Frauenkollektionen eingestellt. Sein folkloristischer Stil gibt dem eingestaubten Traditionshaus einen neuen Schwung und wird ab der ersten Kollektion von Modekritikern gelobt.
- 1984: Crahays letzte Kollektion für Lanvin gewinnt den Golden Thimble Award für die beste Couture Kollektion der Saison.
- 1981 wird Maryll Lanvin Chefdesignerin des weiblichen Prêt-à-Porters. Sie ist die Frau des Neffens von Jeanne Lanvin.
- 1990: Die Orcofi-Gruppe kauft das Modehaus auf.
- 1990 bis 1992: Claude Montana arbeitet als Chefdesigner für die Haute Couture Kollektionen. Bekannt geworden war Montana in den 80er Jahren durch seine grellen Entwürfe mit stark gepolsterten Schultern und engen Taillen.
- 1996: Die L’Oréal-Gruppe kauft das Modehaus auf.
- 1998: Cristina Ortiz wird zur Chefdesignerin ernannt. Sie erinnert mit ihren Entwürfen an Jeanne Lanvins Liebe für Art-Deko. Wirklich im Gedächnis geblieben ist aber keiner ihrer Entwürfe.
- 2001: Die taiwanesische Medienunternehmerin Shaw-Lan Wang kauft Lanvin.
- 2002 – 2015: Alber Elbaz wird Chefdesigner bei Lanvin.
ALBER ELBAZ –
DER LANG ERSEHNTE ERFOLG
Der israelische Designer wirkte anfangs wie eine komische Wahl für das französische Modehaus. Der kleine kugelrunde Mann war quasi unbekannt, faszinierte aber sämtliche Modekritiker bereits mit seiner ersten Kollektion. Zuvor war Elbaz für drei Kollektionen Designer bei Yves Saint Laurent.
Elbaz‘ Liebe für Frauen sichert Lanvin für die nächsten 13 Jahre einen großen Erfolg. Mithilfe prägnanter, farbenfroher Kampagnen wird Lanvin zu einer Marke für selbstbewusste Frauen jeden Alters.
2010 kooperiert das französische Modehaus sogar mit H&M. Schlüsselfarben und –Silhouetten des Designers werden in simpleren Varianten aufgegriffen und zu absoluten Bestsellern.
2015 wird das bunte und erfolgreiche Bild Lanvins durch die plötzliche Entlassung von Chefdesigner Elbaz getrübt. In einem Rundbrief an alle Angestellten erklärt Michèle Huiban, CEO der Marke, dass Elbazs Mangel an Kreativität und sein »aggressives Verhalten« gegenüber der Besitzerin der Marke, Shaw-Lan Wang, die Gründe für seine Entlassung seien.
Elbaz droht daraufhin sogar mit der Weitergabe von Insider Informationen über die Leitung des Hauses, wenn Wang und Huiban weiterhin Rufmord gegen ihn begehen würden. Der Fall zog bis vor Gericht. Die Entscheidung änderte sich jedoch nicht: Alber Elbaz muss das Unternehmen verlassen.
BOUCHRA JARRAR –
FRISCHER, ABER KURZER AUFWIND
- März 2016: Bouchra Jarrar wird als neue Chefdesignerin ernannt.
- Die Französin mit marokkanischen Wurzeln ist zuvor bei Balenciaga, Scherrer und Lacroix tätig.
- 2010 eröffnet sie ihr eigenes Haute Couture Label, »Bouchra Jarrar«.
- 2013 wird sie Mitglied des Haute Couture Verbandes der Pariser »Chambre Syndicale de la Haute Couture«.
Die Kritiken zu ihrem heiß erwarteten Lanvin Debüt im September 2016 sind gespalten. Jarrars hauchdünne Kleider und eleganten Smokings sollen eine neue Weiblichkeit in die Tradition des Hauses bringen.
Die daraus resultierenden Zahlen überzeugen die Besitzerin Wang jedoch nicht. Nach 16 Monaten und nur zwei Kollektionen wird die Designerin Jarrar gezwungen, die Spitze des Hauses wieder zu verlassen.
Neuer Chefdesigner
Olivier Lapidus
- Sommer 2017: Olivier Lapidus (Sohn des französichen Designers Ted Lapidus und Vorreiter der High-Tech Mode) wird Chefdesigner bei Lanvin.
- Kurz zuvor gründete er das erste digitale Couture-Haus »Créations Olivier Lapidus«, bei dem Mode direkt online per Click gekauft werden kann.
Neben seiner Design-Tätigkeit bei Lanvin behält Lapidus den Posten als Leiter seines eigenen Modehauses. Am 27. September 2017 präsentierte er bei der Pariser FashionWeek seine Debütkollektion.
Logomania ist wahrscheinlich das beste Wort, um seine Debütkollektion für Lanvin zu beschreiben. Drapierte Kleider, Tops und Röcke machten sich neben plakativen Logomustern fast unbemerkbar.
Der Name des Hauses zierte selbst die gezeigten Schultertaschen. Das unbeeindruckte Klatschen der Gäste sagte leider schon alles über diese Kollektion aus.
Gut zu wissen
- Jeanne Lanvin benannte ihre Modelle mit Vorliebe nach Blautönen (zum Beispiel Azurblau, Lavendel, Nachtblau, Ultramarin, Indigo, Immergrün oder Saphirblau).
- Juli 2017 verkündet Business of Fashion Lapidus neue Vision für Lanvin: das Traditionshaus soll das französische Michael Kors werden.
- Lanvin ist das älteste französische Modehaus, das noch aktiv ist.